FINO Memo
Die im Format «FINO Memo» verfassten Beiträge bilden den Kern der proaktiven Informationsarbeit des FINO. Hier werden solche Themen in knapper Form für die Öffentlichkeit aufbereitet, die innovative Erkenntnisse der Fachwissenschaften enthalten und die aus der Sicht des FINO Prozesse behandeln, die prognostisch von Bedeutung sein können oder auf die die Wissenschaften in besonderer Weise die Öffentlichkeit aufmerksam machen wollen. Dem Informationsauftrag entsprechend sind auch die FINO-Memos eher kurz gehalten und nicht in einem rein fachwissenschaftlichen Format abgefasst.
FINO Memo 1: Die Interessen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Am Südjemen
Auch wenn die VAE in einer Koalition mit Saudi-Arabien im Krieg im Jemen interveniert haben, verfolgen sie dort eine sehr eigenwillige und eigenständige Interessenspolitik. Dies zeigt sich vor allem in der Unterstützung des südjemenitischen Separatisten der «südlichen Bewegung» und der «Sicherheitstruppen». Diese Unterstützung spiegelt gewiss strategische Interessen der Emirate und ihre Ablehnung des jemenitischen Präsidenten Hadi, dem sie eine Nähe zu den Muslimbrüdern der Islah-Partei vorwerfen. Doch das ist nur die halbe Geschichte. Mehr dazu in dem FINO-Memo zur Aussenpolitik der VAE.
FINO Memo 2: Saudi-Arabien, Katar und der Fall Khashoggi
Es ist wohl kein Zufall, dass der saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi am 2. Oktober 2018 in Istanbul ermordet wurde. Die Ermordung Khashoggis und die Türkei als Alliierter Katars sind nur zwei Puzzleteile im Transformationsprozesse, der Saudi-Arabien in eine tiefe Krise stürzen. Der Machtantritt Muhammad Bin Salmans als Kronprinz war der Ausdruck des Versuchs, dem Land den Weg in eine post-wahhabitische Ära und zugleich in ein Nach-Erdölzeitalter zu sichern. Um diese neue Ordnung, die als «Vision 2030» propagiert wird, abzusichern, agiert das Herrscherhaus brachial gegen seine innen- und aussenpolitischen Feinde. Dabei spielt die Gegnerschaft zu Katar eine wesentliche Rolle. Katars Versuch, den saudi-arabischen Hegemonieanspruch durch eine eigene Allianzpolitik zu durchbrechen, stört die saudi-arabischen Versuche, die Dynamik der Transformation so beherrschbar zu machen, dass sie das Regime der saudischen Familie nicht gefährdet.
FINO Memo 3: Der Islam und das Gelingen der Menschenrechte
Am 10. Dezember 1948 verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Palais de Chaillot in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Dieses Jubiläum gibt nochmals Anlass, darüber nachzudenken, wie angesichts der Katastrophen im Nahen Osten das Gelingen und die Sicherung der Menschenrechte besser gewährleistet werden könnte. Hierzu wird immer wieder der Islam als möglicher Rechtfertigungsraum der Menschenrechte angeführt. Doch kann der Islam überhaupt zum Gelingen der Menschenrechte beitragen? Wie können Widersprüche zwischen einer partikularen Definition der Menschenrechte und ihre in der Deklaration der Menschenrechte zugrunde gelegte Universalität und Allgemeinheit aufgehoben werden? Eine Antwort suchte Reinhard Schulze anlässlich eines Vortrags vor krino, der Philosophischen Gesellschaft Bern. Eine Zusammenfassung des Vortrags finden Sie hier.
FINO Memo 4: Islam und Radikalisierungsprävention
Wie gelingt die Prävention ultraislamischer Biographien und ultraislamischer Gemeinschaftsbildung? Wie lässt sich die Nachhaltigkeit einer «Deradikalisierung» von muslimischen Jugendlichen, die sich ultraislamischer Vorstellungen verschrieben hatten, verbessern? Welche neuen Erkenntnisse aus den Geistes- und Sozialwissenschaften liegen hierzu vor? Eine internationale Tagung, die von dem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkolleg «Deutungsmacht - Religion und Belief Systems in Deutungsmachtkonflikten» der Universität Rostock im November 2018 durchgeführt wurde, bot die Gelegenheit zu ausführlichen Nachfragen. In den Referaten von Reinhard Schulze (FINO, «Beyond Religion – Beyond Islam: The Challenge of Ultra-Islamic Violence») und Florian Zemmin (Institut für Islamwissenschaft, Universität Bern, «Salafism as scholarly creation? On the genealogy and usability of a contested term») wurden neueste Erkenntnisse aus der Islamwissenschaft angesprochen, die zu einer besseren Profilierung der Praxis der Radikalisierungsprävention beitragen können. Es zeigte sich aber auch, dass es hier erhebliche Differenzen zwischen der anwendungsorientierten Politikwissenschaft beziehungsweise Politikberatung und der Grundlagenforschung der Islamwissenschaft gibt. Doch worin bestehen diese Differenzen und welche Angebote können Islamwissenschaft und Nahostwissenschaft den Institutionen machen, die mit der Radikalisierungsprävention befasst sind?
FINO Memo 5: Die islamische Weltliga (Mekka) und die saudi-arabische Religionspolitik
Im Zusammenhang mit der Finanzierung von Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen und Organisationen wird immer wieder die von Saudi-Arabien finanzierte Islamische Weltliga ins Spiel gebracht. Sie steht im Verdacht dubioser Finanzhilfen an «Salafisten» und «salafistische» Moscheen. Amerikanische Stellen vermuten in der Weltliga ein Instrument zur Terrorfinanzierung. Auch gilt die Weltliga als eine wahhabitische Missionsorganisation, die die islamischen Gemeinden in Europa unterwandert und radikale Prediger ausbildet. Sie sei gar eine organisierte Allianz von Salafisten und Muslimbrüdern. Doch was lässt sich tatsächlich über die Islamische Weltliga sagen? Wie ist sie mit der saudi-arabischen Religionspolitik verbunden? Wie steht sie zu den aktuellen innenpolitischen Reformprozessen in Saudi-Arabien?
FINO Memo 6: Libanon: Die Zukunft des Liberalismus und die Verantwortung der Intellektuellen
Im Libanon entscheidet sich die Zukunft des Liberalismus. Wer dies erkennen will, muss sich allerdings auf einen anderen Libanon einlassen als den in den Medien kolportierten kriegsgebeutelten und trotzdem fröhlich feiernden «Zedernstaat» und sich mit seinen Intellektuellen an einen Tisch setzen. Wer ihren Debatten lauscht und ihre Bücher liest, merkt bald: Sie haben uns allen etwas zu sagen, obwohl, oder gerade weil ihre denkerischen Projekte eng mit den scheinbar sehr einzigartigen Problemen des kleinen Landes und seiner Geschichte verwoben sind, so etwa dasjenige von Nassif Nassar (geboren 1940).
FINO Memo 7: Brennpunkte im Nahen Osten
Der Nahe Osten wird zurzeit vornehmlich als geopolitische Landkarte wahrgenommen. Die Kriege in Syrien und im Jemen werden fast nur noch im Kontext internationaler Konflikte diskutiert; Friedenslösungen werden ebenso unter das Mandat der geopolitisch engagierten Mächte gestellt. Die regionale Blockbildung, die auf einer neuartigen Gestaltung innerislamischer Konfessionalisierung von «Sunniten» und «Schiiten» beruht, wird gleichermassen einer internationalen Machtpolitik zugeordnet. Die geopolitische Wahrnehmung der Konfliktwelten im Nahen Osten konstruiert eine Wirklichkeit, die den lokalen Regimen zu einer ihnen fast uneingeschränkte Macht verheissenden Patronage verhilft. Daher haben sie grösstes Interesse an der Bewahrung der geopolitischen Ordnungsmuster. Doch die geopolitische Konstruktion der Wirklichkeit im Nahen Osten steht in krassem Widerspruch zu den Krisen und Auseinandersetzungen, die die Realität der innenpolitischen Welten in den jeweiligen Ländern bestimmen. Schon eine oberflächliche Augenscheinnahme lässt erkennen, dass die Permanenz der lokalen und regionalen Konflikte grösstenteils auf dieser geopolitisch konstruierten Ordnung der sozialen, kulturellen und ökonomischen Wirklichkeit beruht. Die interessens- und realpolitische Rechtfertigung dieser Ordnung garantiert den Potentaten nicht nur ihre Macht, sondern untergräbt – wie am Beispiel Jemen zu sehen – sogar eigentlich erfolgversprechende lokale Traditionen der Konfliktbewältigung und Konfliktlösung. Wie in einer lockeren Folge von FINO-Memos zu nahöstlichen Brennpunkten zu zeigen sein wird, unterscheiden sich die lokalen und regionalen Konflikte zum Teil grundlegend. Diese Besonderheiten bestehen trotz der Versuche der Realpolitik, durch geopolitisch begründete Bündnisse, Allianzen und Gegnerschaften die Konfliktwelten zu homogenisieren, zu schematisieren oder gar standardisieren. Ohne eine strategische Berücksichtigung dieser Besonderheiten wird eine Konfliktlösung im Nahen Osten kaum möglich sein. Doch was sind diese lokalen und regionalen Besonderheiten? Wie konfigurieren sie die Konfliktwelten in den einzelnen nahöstlichen Ländern? Folgende Übersicht über ausgewählte, zurzeit häufig angesprochene Konfliktfelder, die in den kommenden Wochen in FINO-Memos näher untersucht werden, bietet eine erste Orientierung.
FINO Memo 8: Der Islam als Religion von öffentlichem Interesse oder der Islam als öffentliche Person
FINO Memo 8: Der Islam als Religion von öffentlichem Interesse oder der Islam als öffentliche Person
Der Islam ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Er ist zu einer öffentlichen Religion geworden, selbst wenn es immer wieder Versuche gegeben hat, diese Sichtbarkeit einzuschränken. Doch ist er auch wirklich zu einem Teil der Zivilgesellschaft geworden? Die Befürchtungen über das Ausgreifen jihadistischer, salafistischer Vorstellungswelten in muslimischen Gemeinden bleiben selbst nach dem Zusammenbruch der Gebietsherrschaft des sog. «Islamischen Staats» in Syrien und Irak bestehen. Gerade die Furcht vor den Jihad-Rückkehrern begründet eine Skepsis bezüglich der Fähigkeit hiesiger islamischer Verbände, wirksam an der Bewältigung der hiermit verbundenen Probleme mitzuwirken. Manche erinnern sich noch an die Probleme, die durch die Rückkehr von Jihad-Kämpfern aus Afghanistan 1989/1991 in die arabische Welt entstanden und die schliesslich zu den grausamen Kriegen in Algerien geführt haben. Umso wichtiger ist es zu fragen, wie eine religiöse Integration gelingen kann und wie muslimische Gemeinden in der Schweiz zu einer Religionsgemeinschaft zusammenfinden können, die dann als aktiver Partner in der Zivilgesellschaft wirken kann.
FINO Memo 9: Der Islam als Religionsgemeinschaft in der Schweiz – zum Stand der aktuellen Debatte
Im Rahmen einer vom Forum Islam und Naher Osten am 7. Februar 2019 an der Universität Bern ausgerichteten und von der SAGW unterstützten Ideenwerkstatt diskutierten 25 Vertreter und Vertreterinnen islamischer Verbände und Gemeinden sowie muslimische Einzelpersönlichkeiten die Frage, ob sich die muslimischen Gemeinden in der Schweiz als Religionsgemeinschaft konstituieren sollten. Moderiert wurde die Debatte vom Forum Islam und Naher Osten. Die Aktualität dieser Frage, so wurde in den Debatten deutlich, sollte nicht mit dem Problem der öffentlich-rechtlichen Anerkennung verbunden werden. Vielmehr ergebe sie sich (1) aus den neuen Aufgaben und Funktionen, mit denen die muslimischen Gemeinden in der Schweiz konfrontiert sind, (2) aus der Tatsache, dass das islamische religiöse Feld in der Schweiz bislang nur begrenzt organisatorisch erfasst ist und (3) aus dem Faktum, dass der Islam zu einer öffentlichen Religion und damit zu einem wichtigen Teil der zivilgesellschaftlichen Ordnung geworden ist.
FINO Memo 10: Die Azhar-Universität und die Polygamie
Als Anfang März der Grossimam und Scheich der ägyptischen Azhar-Moschee, Aḥmad aṭ-Ṭayyib, die Polygamie als eine «Ungerechtigkeit» gegenüber den Frauen bezeichnete, war der Aufruhr gross. Konservative Kreise sahen in den Aussagen Ṭayyibs ein ihres Erachtens im Koran klar verbürgtes Recht in Frage gestellt, und zwar durch niemand Geringeren als den Vorsteher einer der angesehensten islamischen Lehreinrichtungen. Frauenorganisationen und liberale Kreise dagegen deuteten Ṭayyibs Worte als Anzeichen des Reformwillens der altehrwürdigen Institution. Diskussionen um das Thema Polygamie flammen in Ägypten regelmässig auf, wobei es darin meist um mehr geht als um die umstrittene Mehrfachehe. So sind auch die jüngsten Aussagen Ṭayyibs und die Reaktionen darauf eher deshalb bemerkenswert, weil sie ein Schlaglicht auf die Rolle der Azhar seit den politischen Umbrüchen 2011 sowie die Politik der as-Sīsī-Regierung gegenüber der Universität werfen.
FINO Memo 11: Die neuen europäischen Veteranen des «IS»
Europa steht vor einem Problem: Wie sollen die Behörden mit ihren Staatsangehörigen umgehen, die in den letzten Jahren in den Dschihad gezogen waren und nun nach dem Untergang ihres Utopia in Syrien und Irak in ihre Heimatländer zurückkehren? Und was ist mit den Europäern, die sich in Gefängnissen und Lagern lokaler Kriegsparteien befinden? Sollen sie «repatriiert» und in ihren Heimatländern vor Gericht gestellt werden? Und droht von den Heimkehrern eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung? Werden sich manche von ihnen nach dem Massaker von Christchurch ihrerseits zu terroristischen «Vergeltungstaten» ermuntert sehen? Ein Rückblick zeigt die Notwendigkeit, dass sich Staat und Gesellschaft mit diesem Problem proaktiv auseinandersetzen. Lesen Sie hier zu mehr…
FINO Memo 12: Islam und das Problem der Aufklärung
Dass die Aufklärung weder zu einer Überwindung der Religion als soziale Ordnung noch zu ihrem Ausschluss aus der gesellschaftlichen Öffentlichkeit geführt hat, ist schon lange zu einem Gemeinplatz der Kritik an dem Modernisierungsoptimismus des 19. und 20. Jahrhunderts geworden. Kronzeuge hierfür scheint ein vermeintlich aufklärungsresistenter Islam zu sein, der massgeblich zur zeitgenössischen religiösen Restauration beigetragen habe. Eine Tagung in Luzern bot die Möglichkeit, die Debatte um den Islam als Problem der Aufklärung in einen sachgerechten Kontext zu stellen und zu prüfen, wie überhaupt in angemessener Weise die Beziehung von Religion und Aufklärung sichtbar gemacht werden kann.
FINO Memo 13: Schwindet im Nahen Osten die Bindung an die Religion?
Am 24. Juni 2019 berichtete BBC News von einer Umfrage, wonach mehr und mehr Menschen in der arabischen Welt von sich behaupten, nicht mehr religiös zu sein. Durchgeführt wurde die Umfrage von dem seit 2006 bestehenden Arab Barometer Netzwerk, das aus Forscher/innen aus der arabischen Welt besteht und von amerikanischen und arabischen Universitäten sowie Medien wie der BBC finanziert wird. Es versteht sich als «ein unparteiisches Forschungsnetzwerk, das Einblicke in die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Einstellungen und Werte der einfachen Bürger in der gesamten arabischen Welt gibt». Aus dem Bericht spricht Erleichterung. Ist es um die arabische Welt doch nicht so schlimm bestellt, wie die Öffentlichkeit nach dem zeitweisen Erfolg des «Islamischen Staats» angenommen hat? Schauen wir uns die Umfrageergebnisse etwas genauer an.
FINO Memo 14: Eine Scheidung als Ausweg aus den jemenitischen Wirren?
Die Karten im jemenitischen Krieg scheinen zurzeit neu verteilt zu werden, und offen ist, wer mit wem für die nächsten Runde paktieren wird. Es ist nicht auszuschliessen, dass jener Konflikt an die Oberfläche treten wird, der bislang eher im Hintergrund das Kriegsgeschehen strukturiert hat, nämlich der bis heute nicht bewältigte Konflikt zwischen Nord- und Südjemen.
FINO Memo 15: Militär und Zivilgesellschaft in der arabischen Welt – wer kontrolliert wen?
Die Proteste breiter zivilgesellschaftlicher Allianzen im Sudan und in Algerien gegen die bestehenden sozialen und politischen Ordnungen haben trotz ihrer vielschichtigen Unterschiede mindestens einen gemeinsamen Nenner: Im Zentrum der Konflikte steht das Militär und dessen Monopolisierung politischer Entscheidungsprozesse und staatlicher Exekutivmacht. Weshalb sind in vielen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas die Waffenträger auch die Träger staatlicher Gewalt? Wird sich dies im Sudan und in Algerien bald ändern? Und was bedeutet das für die Schweiz?
FINO Memo 16: La Syrie et le Comité constitutionnel syrien - Une constitution peut-elle atténuer les conséquences de la guerre ?
Depuis juin 2012, les négociations de paix en Syrie se déroulent à Genève. Plus de sept ans après les premiers pourparlers, un "Comité constitutionnel syrien" s'est réuni à Genève le 30 septembre 2019. La base juridique de la convocation d'un tel comité est la résolution 2254 du Conseil de sécurité des Nations unies du 18 décembre 2015, présentée par la Russie, l'Iran et la Turquie. Le message clé de l'époque était qu'une fois qu'un cessez-le-feu serait entré en vigueur, des élections libres et régulières devraient se tenir sous les auspices de l'ONU, ce qui permettrait une « transition politique » façonnée et responsable par les Syriens eux-mêmes.
FINO Memo 17: Der lange Protest der arabischen 2011er Generation
Eine neue Welle des Protests hat die arabischen Länder erfasst. Abermals ist der Kampf zweier unversöhnlicher Diskurse entflammt: der Diskurs einer «alten Generation», der auf einer konfessionellen und parteipolitischen Repräsentation von sozialmoralischen Milieus beruht, und der Diskurs einer «jungen Generation», die eine zivile Rekonstruktion der Gesellschaft jenseits der Grenzen der sozialmoralischen Milieus fordert. Lesen Sie hier weiter ...
FINO Memo 18: Die Debatte um die islamische Vollverschleierung
Es ist in einer offenen Gesellschaft guter Stil, das Gesicht zu zeigen. Dies zu tun, zeigt die Bereitschaft, Teil dieser offenen Gesellschaft zu sein. Nur: offen ist sie gerade auch dann, wenn sie es ihren Mitgliedern ermöglicht, das Gesicht zu verstecken. Dies kann aus sehr unterschiedlichen Gründen geschehen. Die meisten von ihnen würden eine offene Gesellschaft anerkennen. Problematisch wird der Tatbestand der Gesichtsverschleierung dann, wenn das Motiv selbst als problematisch angesehen wird und wenn diejenigen, die sich das Gesicht verschleiern, weigern, den Schleier zu lüften, sobald der Staat und seine Institutionen dies in Vertretung der Gesellschaft verlangen. Lesen Sie hier mehr....
FINO Memo 19: Eine Neuausrichtung der afghanischen Taliban?
In dem am 29. Februar 2020 in Doha (Qatar) geschlossenen «Abkommen zur Befriedung Afghanistans zwischen dem Islamischen Emirat Afghanistan, das von den Vereinigten Staaten nicht als Staat anerkannt wird und als Taliban bezeichnet wird, und den Vereinigten Staaten von Amerika» haben sich die afghanischen Taliban als international anerkannte Vertragspartei durchsetzen können. Immerhin erhielt das Abkommen auch den Segen des UN-Sicherheitsrats. Es solle «den Weg für innerafghanische Verhandlungen über eine politische Lösung und einen dauerhaften und umfassenden Waffenstillstand» ebnen. Dazu soll die Islamische Republik Afghanistan an einer von den USA geförderten Diskussion mit Vertretern der Taliban über vertrauensbildende Massnahmen teilnehmen, bei der auch die Durchführbarkeit der Freilassung einer erheblichen Anzahl von Gefangenen auf beiden Seiten geprüft werden soll. Zudem verpflichtet sich die afghanische Regierung, die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zu ersuchen, Vertreter der Taliban spätestens 30 Tage nach Abschluss eines Rahmenabkommens und eines dauerhaften und umfassenden Waffenstillstands von der Sanktionsliste zu streichen. Die Umsetzung des Abkommens hängt aber nicht nur von der Willigkeit der Taliban ab, sondern auch von dem Ausgang des Machtkampfs der politischen Eliten in der Hauptstadt Kabul. Hier haben sich sowohl Ashraf Ghani wie der bisherige Ministerpräsident Abdullah Abdullah als Präsidenten der Islamischen Republik Afghanistan vereidigen lassen. Die Taliban beharren darauf, dass die Gespräche nur dann stattfinden könnten, wenn sich die Vertreter der Regierung in Kabul auf einen Präsidenten geeinigt hätten.
Wie aber ist die Bereitschaft der Taliban zu Friedensgesprächen mit Vertretern der afghanischen Republik zu bewerten? Handelt es sich dabei um eine strategische Neuausrichtung oder gar um eine grundlegende Änderung ihres islamischen Selbstverständnisses? Lesen Sie hier weiter ...
FINO Memo 20: Wem gehört der Irak?
Die Corona-Krise hat auch im Irak das öffentliche Leben weitgehend zu erliegen gebracht. Zwar sind die bekannten Fallraten noch niedriger als in Westeuropa oder den USA, doch fürchten viele irakische Experten, dass der Höhepunkt der Pandemie noch bevorsteht. Das Pandemie-Regime hat die Legitimität der irakischen Regierung allerdings kaum stärken können. Kaum werden erste Lockerungsmassnahme ergriffen, flammen die Strassenproteste in den südirakischen Provinzstädten wieder auf. Es geht um nicht mehr oder weniger als die Forderung nach einer Neugestaltung dessen, was «Staat» sein soll und was seine Legitimationsgrundlagen und seine Aufgaben sind.
FINO Memo 21: Leviathan und Behemoth im Nahen Osten
Seit Beginn des arabischen Frühlings 2011 sind viele herrschende Staatseliten in den Ländern des Nahen Ostens zur Überzeugung gelangt, dass ihrem endlos meuternden Volk nicht zu trauen sei. Jede Lockerung der staatlichen Gewalt würde nur Rebellion begünstigen. Daher stützen sie sich auf eine Herrschaftsordnung, in der es keinen Raum für eine unabhängige Zivilsphäre zwischen Staat und Volk gibt, die es dem Volk ermöglichen würde, eine Kontrolle des Staats und eine Rechenschaftspflicht der politischen Amtsträger einzuklagen und durchzusetzen. Wieso aber beharren die nahöstlichen Eliten auf ihre durch den Staat gesicherte Machtstellung? Warum verweigern sie der Bevölkerung das Recht, sich frei als Gesellschaft in einer pluralistischen, demokratischen und dezentralen Ordnung zu konstituieren?
FINO Memo 22: Türkei - Erdoğans riskantes Spiel mit der Hagia Sophia
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Staat zum Gralshüter der «heiligen türkischen Nation» erklärt, die allein über die Wiedereröffnung der Hagia Sophia als Moschee zu entscheiden habe. Am 10. Juli hat der türkische Staatsrat stellvertretend für die Nation entschieden: Vom 24. Juli an wird die Hagia Sophia wieder allein als Moschee dienen. Europäer, Russland und die christlichen Kirchen reagierten mit Befremden und Empörung, den Papst schmerzt es, und die Frankfurter Allgemeine Zeitung argwöhnte, dass schon bald islamische Ikonoklasten die Mosaike in der Moschee zerstören werden. Doch was steckt hinter dem türkischen Vorgehen?
FINO Memo 23: Die Konfessionalisierung im Jemen
Der Jemen kommt nicht zur Ruhe. In den letzten Wochen eskalierten die Konflikte auf verschiedenen Ebenen: Konfessionen, Stämme, Parteien, Städte und Regionen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Versuche, an ein Waffenstillstandsankommen anzuschliessen, werden skeptisch beurteilt. Doch anstatt den Krieg auf ein Konfessionsschema zu reduzieren, ist es nützlich, die Mehr-Ebenen-Ordnung selbst in den Blick zu nehmen.
FINO Memo 24: Die VAE und das Ende des Nahen Ostens
Die Vereinbarung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Normalisierung der Beziehungen ist ein weiterer Meilenstein im Umbau des Nahen Ostens, der vor zehn Jahren begonnen hat und der die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Gewichte vollkommen verschoben hat. Kernanliegen der Emirate und ihrer Verbündeten ist die Einhegung des politischen Islam und die unumkehrbare Einbettung der arabischen Staaten in eine globale Moderne. Dies aber bedeutet keinesfalls, dass die Emirate oder Saudi-Arabien ihre politische Ordnung liberalisieren. Vielmehr geht es darum, den Staat als allumfassende Gewalt zu restaurieren, ohne dabei einen zukünftigen, islamischen oder arabischen Idealstaat definieren zu müssen. Stattdessen mutieren die Regime am Golf den Staat zu einem postmodernen Leviathan, der jede politische Inanspruchnahme des Islam im Keim erstickt.
FINO Memo 25: Der Nahe Osten zehn Jahre nach dem Arabischen Frühling
Fast zehn Jahre nach dem Beginn der ersten Massenproteste in Tunesien, die die Revolten des Arabischen Frühlings auslösen sollten, kann eine erste Bilanz dieses fulminanten Transformationsprozesses in den nahöstlichen Ländern gezogen werden. Vor zehn Jahren wären Prognosen zur sozialen, politischen und kulturellen Lage, wie sie heute im Nahen Osten herrscht, als Hirngespinst abgetan. Doch viele Strukturprobleme, die schon 2010 die Revolten befeuerten, bestehen fort. Die Dynamik, die die sozialen, politischen und kulturellen Unruhen freigesetzt haben, wird so weiterhin wirksam sein. Der Nahe Osten wird im Jahr 2030 nur noch wenig mit dem Nahen Osten gemein haben, wie wir ihn heute kennen. So bestätigt sich immer mehr, dass der Arabische Frühling Ausdruck einer Epochenschwelle war, die das Gesicht und die Gestalt des Nahen Ostens weitgehend verändern wird.
FINO Memo 26: Kampf um Konfession
Die Konfessionalisierung hat den Nahen Osten in den letzten beiden Jahrzehnten entscheidend geprägt. Nun gerät die Orientierung an Konfession zunehmend unter Druck. In die Proteste, die im Libanon und dem Irak seit 2019 immer wieder aufflammen, mischt sich Elitenkritik mit der Forderung nach einem neuen politischen System und der Überwindung konfessioneller Spaltung. Grund genug, diese umstrittene Ordnung genauer zu betrachten.
FINO Memo 27: Die Paradoxie der Verhüllungsinitiative
Am 7.3.2021 wird in der Schweiz über die Volksinitiative zum Verbot der Verhüllung des Gesichts in der Öffentlichkeit abgestimmt. Die Kampagne der Befürworterinnen und Befürworter lässt keinen Zweifel daran, dass die Abstimmung dem Islam gilt. Es wird argumentiert, dass der Gesichtsschleier der Frauen das Einfallstor eines «radikalen Islam» in die schweizerische Gesellschaft sei und dass er in den meisten Fällen den Frauen aufgezwungen werde. Der Gesichtsschleier symbolisiere gleichermassen den vom «radikalen Islam» gewollten Zwang gegen die Frauen und die von ihm gestiftete Gewalt gegen die Gesellschaft.
FINO Memo 28: Der Schweizer Weg zum Schleierverbot - Gesichtsverhüllung und die Zukunft der säkularen Ordnung
Am 7. März 2021 stimmte die schweizerische Bevölkerung mit einer Mehrheit von 51.4% der Initiative zu, in die Bundesverfassung einen Artikel zum Verbot der Gesichtsverhüllung einzufügen. In der Abstimmung ging es um mehr als um die Möglichkeit, sich das Gesicht zu verschleiern. Hintergründig ging es um die Zukunft der säkularen Ordnung in der Schweiz.
FINO Memo 29: Die irakischen Haschd zwischen Volksmobilisierung und dualer Herrschaft
Jüngst durch Angriffe auf amerikanische Stützpunkte in den Schlagzeilen, stellen die Haschd-Milizen im Irak längst einen zentralen Machtfaktor dar. Droht eine parallele Struktur zum Zivilstaat?
FINO Memo 30: Östereich: Den Islam kartieren? Ein Fehlversuch.
Die Islamlandkarte, die nicht nur in Österreich für Aufregung sorgt, ist zurzeit nicht aufrufbar, da sich der bisherige IT-Betreibers der Webseite zurückgezogen hat. Die Karte war erst Ende Mai von der österreichischen Integrationsministerin Susanne Raab mit grossem Medienaufwand vorgestellt worden. Doch das Vorhaben stand unter keinem guten Stern.
FINO Memo 31: Ägypten - Die Rückkehr der Pharaonen
Der arabische Neonationalismus entledigt sich des Islam. Dafür entdeckt Ägypten wieder einmal die Pharaonen neu und inszeniert sich als Bollwerk gegen den Terrorismus. Der Preis für die vermeintliche Stabilität ist staatliche Repression.
FINO Memo 32: Im Labyrinth der Islamdebatte
Der „Politische Islam“ führt zu hitzigen Debatten, in denen Islam, Identität und Demokratie sich kreuzen und zu immer verschlungeneren Pfaden führen. Ein Wegweiser.
FINO Memo 33: Deutschland - Der umstrittene Ruf des Muezzins
Das Angebot der Kölner Stadtregierung, Moscheen die Möglichkeit eines Gebetsrufs zu eröffnen, hat zu einer öffentlichen Debatte geführt, in der einmal mehr deutlich wird, wie umstritten die Zugehörigkeit der muslimischen Gemeinden zu den gesellschaftlichen Ordnungen in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz ist.
FINO Memo 34: Ultranationalismus und Ultrareligiosität – Die Wiederkehr der Gespenster
Der Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine ist nicht allein das Resultat einer sich radikalisierenden Herrschaftspraxis des Regimes von Wladimir Putin. Sie ist in erster Linie Ausdruck einer Weltsicht, die sich seit einigen Jahrzehnten in der russischen Gesellschaft eingenistet und die mehr und mehr Deutungsgewalt über soziale, kulturelle und politische Konflikte gewonnen hat. Im Kern geht es dabei um die Rekonstruktion der russischen Nation sowohl als Imperium in den Grenzen von 1914 als auch um Russland als zivilisatorische Idee. Diese will Alteuropa von der Hegemonie eines als dekadent erachteten «atlantischen Westens» befreien und «Eurasien» zu einem eigenständigen Pol einer globalen Ordnung machen.
FINO Memo 35: Was Erdoğans Türkei von Putins Russland unterscheidet
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, sonst eher nicht zurückhaltend in der Formulierung türkischer Machtansprüche in der Region, versucht sich derzeit im Ukrainekrieg als Friedenstifter zu profilieren. Erdoğan betont die „neutrale“ Position der Türkei und bietet den ukrainisch-russischen Verhandlungen in Istanbul die große Bühne. Hintergrund der türkischen Vermittlungsbemühungen ist die pure Not: Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Türkei in ein schwer aufzulösendes Dilemma gestürzt.
FINO Memo 36: Irak – Ein schiitischer Ordnungskonflikt
Die eskalierenden Konflikte im Irak zwischen proiranischen und antiiranischen Gruppen sind auch ein Streit um die schiitische religiöse Autoritätsordnung im Lande. Dabei agiert Iran als Schutzmacht eines auf Autorität (mardscha῾) bezogenen Lehramtes.
FINO Memo 37: Nur Probleme statt ‚Null-Probleme‘ - Populismus und Deprofessionalisierung in der türkischen Aussenpolitikitel
Der türkische Präsident Erdoğan inszeniert sich als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine. Im Westen wird er gleichzeitig für «Schaukelpolitik» und «Quertreiberei» kritisiert. Wie berechenbar ist die türkische Aussenpolitik im Machtsystem Erdoğans?